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Ankereffekt

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Wenn Sie sich schon einmal gewundert haben, warum der erste Eindruck so nachhaltig sein kann oder warum der ursprüngliche Preis eines Produkts so schwer aus dem Kopf zu bekommen ist, selbst nachdem er deutlich reduziert wurde, dann sind Sie bereits dem Ankereffekt auf die Spur gekommen.

Der Ankereffekt ist ein leistungsstarker kognitiver Bias, der in verschiedensten Lebenslagen auftreten kann, von Verhandlungen am Arbeitsplatz bis hin zu den Geschäftsstrategien von Großunternehmen. In diesem Artikel gehen wir darauf ein, was der Ankereffekt genau ist, wie er unsere Entscheidungen beeinflusst, und wie wir lernen können, ihn bewusst einzusetzen oder ihm entgegenzuwirken.

Was ist der Ankereffekt?

Psychologie des Ankereffekts – Grundlagen und Theorien

Stellen Sie sich vor, Sie nehmen an einem Quiz teil, bei dem Sie das Gewicht eines Objekts schätzen sollen. Sie erhalten einen Startwert als Anhaltspunkt – dieser Wert wird nun unbewusst zum Anker für Ihre Schätzung. Selbst wenn dieser Startwert willkürlich gewählt wurde, tendieren Ihre Schätzungen dazu, sich darum zu gruppieren. Genau dieses Phänomen beschreibt der Ankereffekt: Die Tendenz, sich bei Schätzungen, Entscheidungen und anderen kognitiven Prozessen zu stark auf die erste verfügbare Information zu verlassen.

Dieser Bias ist tief in unserer kognitiven Verarbeitung verwurzelt. Kognitive Wissenschaftler wie Amos Tversky und Daniel Kahneman haben den Ankereffekt zuerst in den 1970er-Jahren in ihren bahnbrechenden Arbeiten zur Heuristik und Urteilsfähigkeit identifiziert. Sie demonstrierten, dass der Ankereffekt eine Form der Denkfaulheit ist, eine Heuristik, die es unserem Gehirn ermöglicht, unter Unsicherheit und bei unvollständigen Informationen schnelle, wenn auch nicht immer genaue, Urteile zu fällen.

Beispiele des Ankereffekts

Der Ankereffekt tritt in vielen Szenarien auf:

  • Im Supermarkt wird der „ursprüngliche“ Preis eines Produkts oft durchgestrichen und ein neuer, niedrigerer Preis danebengesetzt. Das durchgestrichene Preisetikett dient als Anker und lässt den neuen Preis attraktiver erscheinen.
  • Während Preisverhandlungen neigen Menschen dazu, das erste Angebot als Anker zu verwenden, von dem sie dann nur ungern abweichen – selbst wenn es im Nachhinein nicht ihrer Preisvorstellung entspricht.

Wie der Ankereffekt Entscheidungen beeinflusst

Ankereffekt im Marketing und Vertrieb

Im Bereich von Marketing und Vertrieb ist der Ankereffekt ein nahezu allgegenwärtiges Werkzeug. Produktmanager, Preisstrategen und Marketingexperten nutzen bewusst gesetzte Anker, um den wahrgenommenen Wert eines Angebots zu manipulieren. Wie aber wirkt sich das in der Praxis aus?

Stellen Sie sich vor, Sie treten in ein Geschäft ein und sehen ein hochpreisiges Produkt, welches deutlich reduziert ist. Der ursprüngliche Preis wird bewusst als Ankerpunkt gesetzt, um im Vergleich den reduzierten Preis attraktiver erscheinen zu lassen. Nicht selten werden Preise für einen kurzen Zeitraum erhöht, nur um später „reduziert“ zu werden und somit einen stärkeren Anker-Effekt zu erzeugen.

Aber nicht nur bei Preisnachlässen wird der Ankereffekt genutzt. Auch bei der Preisgestaltung von neuen Produkten werden Anker gesetzt:

  1. Erstangebote: Der anfängliche Preis, zu dem ein Produkt angeboten wird, dient oft als Bewertungsgrundlage für Konsumenten, unabhängig davon, ob der Preis gerechtfertigt ist.
  2. Konkurrenzvergleiche: Wenn ein neues Produkt neben einem teureren Konkurrenzprodukt platziert wird, wirkt es preiswerter – der Preis des Konkurrenzprodukts wird als Anker verwendet.
  3. Preisempfehlung des Herstellers (UVP): Die unverbindliche Preisempfehlung dient oft als Anker, um den Verkaufspreis günstiger erscheinen zu lassen, selbst wenn Produkte selten zum UVP verkauft werden.

Diese Taktiken zeigen, wie Unternehmen den Ankereffekt aktiv einsetzen, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen und die Zahlungsbereitschaft der Kunden zu steuern.

Ankereffekt in der Gehaltsverhandlung

Auch im beruflichen Kontext kann der Ankereffekt eine entscheidende Rolle spielen, insbesondere bei Gehaltsverhandlungen. Das erste Angebot, das auf den Tisch kommt, setzt einen entscheidenden Referenzpunkt. Ist dieses Erstangebot strategisch hoch angesetzt, kann dies zu einer höheren Gehaltsvereinbarung führen, da jegliche Verhandlungen um diesen Anker herum stattfinden.

Es ist notwendig, sich dieser Dynamik bewusst zu sein. Arbeitnehmer sollten vorbereitet sein, selbst mit einem hohen Gehaltsanspruch zu starten, statt nur auf das Angebot des Arbeitgebers zu reagieren. Ebenso sollten Arbeitgeber bedenken, dass ein zu niedrig angesetztes Erstangebot zur Unzufriedenheit führen oder das Verhandlungsergebnis unnötig beschränken könnte.

In beiden Fällen ist umfassende Vorbereitung entscheidend. Eine Analyse von Marktgehältern und das Verständnis für den Wert der eigenen Arbeit oder der Position sind unerlässlich, um den Ankereffekt zu Ihrem Vorteil zu nutzen.

Erkennen und Vermeiden des Ankereffekts

Persönliche Finanzen – Ankereffekt beim Einkaufen

Unsere finanziellen Entscheidungen sind häufig vom Ankereffekt geprägt, besonders im Kontext des Einkaufens. Wir sehen diesen Effekt in Aktion, wenn wir „Schnäppchen“ jagen, die durch ihren Kontrast zu einem viel höheren Ankerpreis besonders günstig erscheinen. Um jedoch zu verhindern, dass der Ankereffekt uns zu voreiligen oder unüberlegten Käufen verleitet, können folgende Schritte eine hilfreiche Orientierung bieten:

  • Vergleichen Sie Preise: Statt sich auf den ersten gesehenen Preis zu fixieren, empfiehlt es sich, Angebote verschiedener Anbieter zu vergleichen. Heutzutage erlauben Online-Preisvergleichsportale, schnell und einfach den tatsächlichen Marktwert eines Produkts zu erfassen.
  • Ignorieren Sie den UVP: Die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers dient oft als Ankerpunkt. Es ist sinnvoll, diesen kritisch zu hinterfragen und auf der Basis des tatsächlichen Werts und nicht der angegebenen Preisempfehlung zu entscheiden.

Strategien gegen den Ankereffekt

Um den Ankereffekt in Entscheidungsprozessen zu minimieren und rationalere Entscheidungen zu treffen, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Bewusstsein schaffen: Erkennen und akzeptieren Sie, dass der Ankereffekt eine allgegenwärtige kognitive Verzerrung ist. Bewusstmachung ist der erste Schritt, um seine Auswirkungen zu mindern.
  • Unabhängige Bewertungen einholen: Suchen Sie aktiv nach Informationen, die unabhängig vom initialen Ankerwert sind, um ein ausgewogeneres Urteil zu erreichen. Dies könnte der Bezug von Expertenmeinungen oder unabhängigen Bewertungen sein.
  • Zeit nehmen: Geben Sie sich Zeit, um über eine Entscheidung nachzudenken, anstatt direkt nach einer Präsentation oder nach Bekanntgabe des ersten Angebots zu entscheiden. Dadurch reduzieren Sie den Druck, den der Anker auf Ihre Entscheidungsfindung ausübt.

Indem wir diese Strategien anwenden, können wir lernen, unseren natürlichen Impuls zu zügeln, zu stark auf den ersten verfügbaren Informationsanhang zu vertrauen. Das Resultat sind fundiertere, durchdachtere Entscheidungen, die im Einklang mit unseren tatsächlichen Präferenzen und Interessen stehen.

Anwendung des Ankereffekts in der Praxis

Positive Nutzung des Ankereffekts

Trotz der potenziellen Fallstricke gibt es Situationen, in denen das bewusste Einsetzen des Ankereffekts strategisch wertvoll sein kann. Für Verhandlungen, ob im persönlichen oder im geschäftlichen Umfeld, kann ein wohl durchdachter Anker den Verlauf und das Ergebnis maßgeblich beeinflussen.

Einige Beispiele zur positiven Nutzung des Ankereffekts:

  1. Verhandlungstechniken: Sei es beim Autokauf oder Gehaltsgespräch, indem Sie den ersten Vorschlag machen, setzen Sie bewusst einen Ankerpunkt, um das Gespräch zu Ihren Gunsten zu steuern.
  2. Marketingstrategien: Durch das Setzen eines Ankers können Sie den wahrgenommenen Wert eines Produkts oder Services erhöhen. Das kann durch Erstpreise, Vergleichspreise oder durch Preisauszeichnungen erfolgen.

Bei der Anwendung dieser Techniken ist allerdings Vorsicht geboten – ein zu offensichtliches Setzen von Ankern kann auch Misstrauen wecken und kontraproduktiv sein.

Fallbeispiele

Erfolgreiche Unternehmen nutzen den Ankereffekt häufig zu ihrem Vorteil. Apple zum Beispiel setzt seine Preise oft ursprünglich hoch an, was die Wertwahrnehmung ihrer Produkte steigert. Selbst wenn später die Preise sinken, bleibt der ursprüngliche, hohe Preis als Anker im Kopf der Verbraucher und sorgt dafür, dass die Produkte als hochwertig empfunden werden.

Ein weiteres Beispiel ist der Immobilienmarkt. Verkäufer legen oft einen hohen Angebotspreis fest, um potenzielle Käufer dazu zu bringen, ihr Gebot relativ zu diesem Preis zu positionieren, auch wenn der Markt vielleicht niedrigere Preise erfordern würde.

Diese Fallbeispiele zeigen, wie ein geschicktes Setzen von Ankern nicht nur die direkte Preiswahrnehmung beeinflusst, sondern auch die allgemeine Marktpositionierung und die Wahrnehmung der Marke stärkt.

Fazit

Der Ankereffekt ist ein robustes psychologisches Phänomen, das uns in unserem täglichen Leben stetig begegnet. Die Entscheidungen, die wir treffen, seien es finanzielle Überlegungen, Kaufentscheidungen oder Verhandlungen, können unbewusst stark von einem Anfangswert beeinflusst werden. Unser Gehirn neigt dazu, diesen Anker als Fixpunkt heranzuziehen, von dem ausgehend wir unsere Einschätzungen und Urteile anpassen.

Die Relevanz des Ankereffekts erstreckt sich über:

  • Preiswahrnehmung im Marketing: Unternehmen setzen häufig Ankerpreise, um die Wertwahrnehmung ihrer Produkte zu erhöhen.
  • Verhandlungsführung: Durch die strategische Nutzung des Ankereffekts können Verhandlungsparteien den Ausgang zu ihren Gunsten beeinflussen.
  • Persönliche Entscheidungen: Individuen, die sich der Auswirkungen des Ankereffekts bewusst sind, können rationalere und fundiertere Entscheidungen treffen.

Der Ankereffekt bietet sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits kann er als mächtiges Instrument in Marketing und Verhandlungen genutzt werden, um Einfluss auf die Entscheidungsfindung zu nehmen. Andererseits ist es wichtig, sich seiner Wirkung bewusst zu bleiben, um nicht Opfer von impulsiven oder schlecht informierten Entscheidungen zu werden.

In jedem Fall erfordert der Umgang mit dem Ankereffekt eine sorgfältige Analyse der eigenen Verhaltensweisen und der Einflüsse, denen wir unterliegen. Für Konsumenten bedeutet das, Preise und Wertversprechungen kritisch zu hinterfragen. Für Unternehmen bedeutet es, den Ankereffekt verantwortungsvoll und zum Nutzen des Kunden einzusetzen.

Bild: (© Nuthawut – stock.adobe.com)

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Autor: Zeitarbeit-Akademie

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